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Du starbst- und mit dir unsere Beziehung!

  • Autorenbild: Ulrike Schöllhorn
    Ulrike Schöllhorn
  • 26. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit
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Sie schlich sich damals schon fast in die Beratung. Zerbrechlich, leicht wie ein verhuschtes Mäuschen, das im Laufschritt übersehen und zertreten werden konnte, glitt sie in den Sessel. Ich überlegte noch, wie ich ihr Sicherheit vermitteln konnte, da fing sie an zu berichten. Sie erzählte mir von der Trennung ihres Partners. Vor einem halben Jahr. Hart sei es gewesen, aber notwendig. Stille hatte sich in ihre Beziehung eingeschlichen. Eine laute, eine unangenehme, eine peinlich berührende Stille. Dabei wolle sie doch nur mit ihm sprechen können. Schließlich hatten sie noch eine Tochter. Eine vierjährige, lebendige Tochter, die Zuwendung brauchte. Von beiden Elternteilen! Aber wie sollte das gehen, wenn sie sich als Eltern nicht mehr richtig begegnen konnten? Wenn sich die Übergaben des Kindes so unangenehm anfühlten, als würde die Kälte auf der Haut klirren. Sie wolle ihrer Tochter eine bessere Elternschaft anbieten.

Wie war das möglich, dachte ich und erfuhr, dass die beiden Erwachsenen nicht Eltern von einem, sondern von drei Kindern waren. Die kleine Tochter hatte eine Zwillingsschwester, die sich in den himmlischen Gefilden tummelte und eine zwei Jahre ältere Schwester, die ebenfalls beschlossen hatte, sich im Jenseits einzurichten. Beide Kinder waren auf die Welt gekommen, um sich nach ein paar Wochen zu verabschieden. Beide hatten Namen, die die zarte Mama noch zärtlicher aussprach: "Mia und Anna!*". "Wunderbar, dass Sie ihren Kindern Namen gegeben haben, das ist wichtig", meinte ich. "Naja, sie sind ja auch normal geboren", erwiderte sie, und ich dachte nur, was ist eigentlich eine Normalgeburt?

Sie erzählte von den Streitereien, die bereits nach dem Tod der ersten Tochter begannen und intensivierten sich nach dem Tod der kleinen Zwillingsschwester. Sie trennten sich. Mit dem Gehen ihrer Töchter war auch ihre Beziehung gestorben. Er zog aus. Das lebende Töchterlein Fränzi blieb bei der Mama.


"Und dann kam er eines Tages, stellte die Kinderurnen bei mir ab und meinte, er können nichts mit ihnen anfangen. Aber was soll ich jetzt mit ihnen machen?"

Darauf sprachen wir lange darüber, was sie mit den Urnen gerne machen würde, wie sie die Kinder denn damit auch gut und zeremoniell verabschieden könne, wen sie dazu einladen wolle und ob der Kindsvater auch mit anwesend sein solle. Sie bejahte dies und hatte gleichzeitig sehr gute Ideen, wie sie ein Beerdigungsfest daraus machen könne. Als die Stunde um war, schlich sie genauso leise wieder hinaus, wie sie gekommen war.


Dann dauerte es einige Wochen. Sanft öffnete sich die Tür. Leise setzte sie sich in den Sessel. Ich musste sie nicht auffordern zu erzählen. Sie saß da, schloss die Augen und berichtete:

"Für unsere große Tochter Mia habe ich ein Fest organisiert. Mein Ex- Mann kam auch, etwas unbeholfen wirkte er, aber er war da. Wir pflanzten zwei Bäumchen für unsere Kinder. Und Franzi*- unser lebendiges Kind- sprang die ganze Zeit um uns rum. Es waren ein paar Leute da, das war schön.

Eine Woche später sind nur wir drei, der Papa, Franzi und ich, auf eine Burg, weil wir Annas Asche verstreuen wollten. Anfänglich war die Situation noch ein wenig angespannt, aber unsere Tochter sprang so fröhlich um uns herum, dass wir uns anstecken ließen. Wir hatten ihr erzählt, was wir vorhatten und sie war gespannt, wie die Asche ihrer Schwester fliegen würde. Als wir oben auf der Burg ankamen, mussten wir den richtigen Zeitpunkt abwarten, bis wir alleine waren und nicht von anderen Besuchern gestört wurden. Und dann öffneten wir die Urne. Franzi griff mit ihrer ganzen Hand hinein und schmiss die Asche ganz selbstverständlich in die Luft. Mein Ex- Mann und ich taten es ihr nach. Ein Windstoß kam und trieb den feinen Staub direkt auf uns zu. Unsere Haare, unsere Kleidung, einfach alles war voller Asche. Es war ein komischer und doch ein wunderschöner Moment. Als würde uns die kleine Anna umarmen...." Sie schwieg. Ich auch. Es dauerte noch einen Augenblick, und ich konnte sehen, wie sie das Ereignis vor ihrem inneren Auge vorbeiziehen sah.

Dann öffnete sie die Augen. Sie sah mich an. Ich lächelte ihr zu.

"Und wissen Sie was?"

"Was?"

"Seitdem können mein Ex-Mann und ich wieder miteinander reden!"

Sie sagte es mit einer Erleichterung. Und mit einem großen Staunen. Dann flüsterte sie fast: " Und ich wusste nicht, wie traumatisiert wir durch diese Totgeburten waren."

Ich nickte. Sie verabschiedete sich.

Ich habe sie danach nicht wieder getroffen. Aber ich denke oft an sie.

Denn ich denke, dass diese Geschichte erzählt werden muss. Sie macht Mut, dass Beziehungen nach dem Tod eines Kindes nicht sterben müssen und dass verstorbene Kinder es durchaus schaffen, Menschen zueinander zuführen, wenn es uns gelingt uns

den geliebten Kindern im Jenseits zuwenden.


*Die Namen wurden geändert!

 
 
 

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